Interviews

Diese Rubrik soll euch über das Leben von Südostasiaten und die Meinungen von Deutschen und Südostasiaten informieren.

Wir danken Paulus für das INterview, welches von Van geführt wurde.

Eure Antworten an: interview@yellow-invasion.de

1.) Du bist halb Deutscher halb Vietnamese, kannst du uns das kurz erklären und etwas über dich und deine Geschichte erzählen?

- Mein Name ist Paulus Fitzek bin 1980 geboren und 25 Jahre alt gebürtiger Berliner und studiere Informatik und Süd-Ost-Asien-Wissenschaften an der Humboldt-Universität. An bei habe ich noch einen vietnamesischen Namen: "Kim An", das Geburtsdorf meiner vietnamesischen Eltern. Meine Mutter ist Deutsche und mein Vater ist Vietnamese. In Vietnam habe ich noch einen älteren Bruder und eine Schwester. Mein Vater kam 1973 im Alter von 35 Jahren in die damalige DDR, mit der Absicht Theaterwissenschaften zu studieren. Während des Studiums an der Humboldt-Universität, lernte er auch meine Mutter kennen. Meine Mutter studierte damals Theologie.
Mein Vater musste damals nach seinem Studium 1983 sofort nach Vietnam zurück. Da es damals Vietnamesen strengstens untersagt wurde eine Beziehung zu deutschen Frauen zu haben, konnte er nicht damit argumentieren, dass er einen Sohn hier hatte. Somit wuchs ich nur mit meiner Mutter auf.


2.) Du bist sozusagen ein "Mischling", fühlst du dich mehr als Deutscher oder als Vietnamese? Warum?

- Erst mit 16 Jahren hatte ich viel Kontakt mit Vietnamesen. Dadurch ist auch mein Interesse an Vietnam und Vietnamesisch gestiegen. Vor 2 Jahren habe ich meinen Vater erst nach 21 Jahren in Vietnam wiedergesehen. Zuvor hatte ich nur Briefkontakt mit ihm. Nach meiner Vietnamreise habe ich mir fest vorgenommen Vietnamesisch in der Uni zu belegen. Als Mischling fühle ich mich mehr als Vietnamese, da ich hier oft die Frage gestellt bekomme "Wo kommst du her"? In Vietnam war das nicht der Fall gewesen, man hat mich sogar auf Vietnamesisch angesprochen. Ich habe das Gefühl in Vietnam meine Identität gefunden zu haben, denn es gibt viele ähnliche Verhaltensweisen zwischen meiner Familie und mir.


3.) Wann hattest du das erste Mal richtigen Kontakt zu vietnamesische Mitmenschen, Gemeinde und Organisationen?

- Erst mit 16 Jahren hatte ich regelmäßig Kontakt zu vietnamesischen Mitmenschen. Seit 2002 bin ich auch Mitglied bei AVYS, dem Vietnamesischen Studentenclub in Berlin.


4.) Wie ist der Kontakt jetzt? Besuchst du regelmäßig irgendeine vietnamesische oder südostasiatische Organisation oder Veranstaltung?


- Ja, ich gehe regelmäßig zu den Veranstaltungen und Sportveranstaltungen wie Badminton von AVYS.


5.) Du lernst zurzeit Vietnamesisch. Wann hast du damit angefangen und wie war es für dich? War es schwer die Sprache zu lernen? Was ist mit der Aussprache und der Grammatik? Ist Vietnamesisch schwer?

- Vor zwei Jahren habe ich angefangen Vietnamesisch zu lernen. Da ich von Null angefangen habe, fällt mir das Vietnamesisch schwerer als ich es mir erst gedacht hatte. Besonders das Verstehen des Gesprochenen fällt mir immer noch schwer. Im Vergleich dazu fällt mir die Aussprache und Grammatik leichter.

6.) Du lebst zwischen 2 unterschiedliche Kulturen mit unterschiedlichen Lebensweisen und Denkweisen. Von welchen der beiden fühlst du dich mehr verstanden, welche verstehst du besser/mehr?

- Ich fühle mich von der vietnamesischen Seite mehr verstanden, obwohl ich noch nicht ganz Vietnamesisch sprechen kann. Das kann daran liegen, dass die Vietnamesen viel familiärer und warmherziger sind als die Deutschen. Genau das was ich vielleicht in meiner deutschen Familie vermisst hatte.

7.) Hast du mehr vietnamesische oder deutsche Freunde? Hast du auch andere Freunde, Bekannte aus dem Südostasiatischen Bereich?

- Ich schätze ich habe mehr vietnamesische Freunde als Deutsche. Ich habe auch Freunde die anderer Herkunft sind. Darunter sind auch einige die aus Laos, Kambodscha und Malaysia kommen.

8.) Warst du schon mal in Vietnam? Unter welchen Umständen warst du dort? (Urlaub, Familie…?)

- Zwei Mal war ich in Vietnam gewesen, immer mit dem Hintergrund meine Familie näher kennen zu lernen und etwas von der Kultur und Lebensweise zu erfahren.

9.) Wie hast du dich gefühlt? Welche Eindrücke hast du von Vietnam?

- Als ich nach Vietnam flog, war ich in euphorischer Stimmung, da ich schon lange darauf wartete meinen Vater endlich wieder zu sehen. Obwohl viele Menschen in Vietnam sehr arm sind und die Sauberkeit oft zu wünschen übrig lässt, hat es mich nicht weiter gestört. Mir hat es trotzdem sehr gut gefallen. Am meisten hat mich das gute soziale miteinander beeindruckt.

10.) Du hast bestimmt Vorstellungen von Vietnam und den Vietnamesen dort bevor du das erste Mal in Vietnam warst. Welche sind es? Haben sich diese Vorstellungen als wahr herausgestellt?

- Irgendjemand hatte mir erzählt, dass viele Menschen noch in Bambushütten leben. So richtig glauben konnte ich das nicht. Einen kleinen Beigeschmack wie die Vietnamesen in Vietnam leben, hatte ich schon von den Deutsch-Vietnamesen hier bekommen.

11.) Gibt es deiner Meinung nach Unterschiede zwischen Vietnamesen hier in Berlin und die in Vietnam?

- Die Unterschiede sind groß, besonders bei den hier aufgewachsenen Vietnamesen, während die meisten Vietnamesen in Vietnam introvertiert sind, neigen die Hierlebenden dazu extrovertiert zu sein.

12.) Hast du Probleme mit der Verständigung, der Lebensweise, Denkweise der Vietnamesen hier in Berlin bzw. in Vietnam, weil du ein halber Vietnamese bist?

- Probleme mit der Sprache gibt es noch, aber mit der Lebensweise und Denkweise der Vietnamesen habe ich keine. Mit der Zeit habe ich das Gefühl bekommen mehr Vietnamese geworden zu sein.

13.) Hast du Probleme mit den deutschen Mitmenschen, weil du ein halber Deutscher bist?

- Eigentlich nicht, aber manchmal wenn mich jemand fragt, "Woher kommst du?" dann fühl ich mich ziemlich fremd hier, wie ein Ausländer.

14.) Kannst du dir vorstellen später nach Vietnam zu gehen und dort zu leben und zu arbeiten? Oder ist Vietnam für dich nur ein Urlaubsort?

- Zurzeit kann ich mir es noch nicht vorstellen weder dort zu leben, noch zu arbeiten. Für mich ist Vietnam eher eine zweite Heimat, in der ich die Gegenwart meiner Familie genießen kann.

15.) Kannst du uns zum Schluss verraten, welches Land deine Heimat ist und wo du dich am wohlsten fühlst? Warum?

- Für mich gibt es zwei Heimaten, da ich in jeder Heimat meine Wurzeln finden kann.
Aus psychologischer Sicht (Familie) fühle ich mich in Vietnam besser als hier, im Gegensatz dazu fühle ich mich aus der gesundheitlichen Sicht (Luftverschmutzung, Lärm) und Chancen-Sicht hier besser.